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sein hatte, und es gab eine Menge Filme, die wir uns nur des­
halb immer wieder anschauten, weil es darin so schöne Kuss­
szenen gab.
»Ah, Miss Gwendolyn. Belieben Sie heute mit mir zu spre­
chen oder wollen Sie mich wieder einmal ignorieren?« James
sah mich aus dem Klassenzimmer der Sechsten treten und
kam näher.
»Wie spät ist es?« Ich sah mich suchend nach Leslie um.
»Bin ich vielleicht eine Standuhr?« James guckte empört.
»So gut müssten Sie mich doch kennen, um zu wissen, dass
Zeit für mich keine Rolle spielt.«
»Wie wahr.« Ich ging um die Ecke, um einen Blick auf die
große Uhr am Ende des Gangs zu werfen. James folgte mir.
»Ich war nur zwanzig Minuten weg«, sagte ich.
»Wo denn?«
»Ach, James! Ich glaube, ich war bei dir zu Hause. Wirklich
sehr hübsch alles. Viel Gold. Und das Kerzenlicht - sehr ge­
mütlich.«
»Ja. Nicht so trist und geschmacklos wie das hier«, sagte
James und machte eine Handbewegung, die den überwiegend
grauen Korridor umfasste. Er tat mir plötzlich sehr leid. Er
war doch gar nicht so viel älter als ich - und schon tot.
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»James, hast du eigentlich schon mal ein Mädchen ge­
küsst?«
»Wie bitte?«
»Ob du schon mal geküsst hast?«
»Es gehört sich nicht, so zu reden, Miss Gwendolyn.«
»Also hast du noch nie geküsst?«
»Ich bin ein Mann«, sagte James.
»Was ist denn das für eine Antwort?« Ich musste lachen,
weil James so eine empörte Miene aufgesetzt hatte. »Weißt du
eigentlich, wann du geboren bist?«
»Willst du mich beleidigen? Selbstverständlich kenne ich
meinen eigenen Geburtstag. Es ist der einunddreißigste
März.«
»Welches Jahr?«
»1762.« James streckte herausfordernd sein Kinn vor. »Vor
drei Wochen wurde ich einundzwanzig. Ich feierte ausgiebig
mit meinen Freunden im White-Club und mein Vater bezahl­
te zur Feier des Tages all meine Spielschulden und schenkte
mir eine wunderschöne Fuchsstute. Und dann musste ich die­
ses dumme Fieber bekommen und mich niederlegen. Nur um
beim Aufwachen alles verändert vorzufinden und eine freche
Göre, die sagt, ich sei ein Geist.«
»Tut mir leid«, sagte ich. »Wahrscheinlich bist du an dem
Fieber gestorben.«
»Unsinn! Es war nur ein leichtes Unwohlsein«, sagte James,
aber sein Blick flackerte verunsichert. »Doktor Barrow hat
gemeint, es sei wenig wahrscheinlich, dass ich mich bei Lord
Stanhope mit den Blattern angesteckt hätte.«
»Hm«, machte ich. Ich würde die Blattern mal googeln.
»Hm. Was soll das heißen, hm?« James guckte böse.
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»Oh, da bist du ja!« Leslie kam aus der Mädchentoilette ge­
rannt und fiel mir um den Hals. »Ich bin tausend Tode ge­
storben.«
»Mir ist nichts passiert. Ich bin zwar bei der Rückkehr in
Mrs Counters Klasse gelandet, aber da war niemand.«
»Die Sechste besucht heute die Sternwarte von Greenwich«,
sagte Leslie. »Oh Gott, bin ich froh, dich zu sehen! Ich habe
Mr Whitman gesagt, du bist in der Mädchentoilette und kotzt
dir die Seele aus dem Leib. Er hat mich zu dir zurückge­
schickt, damit ich dir die Haare aus dem Gesicht halte.«
»Widerlich«, sagte James, sich mit seinem Taschentuch die
Nase zuhaltend. »Sag der Sommersprossigen, über solche
Dinge redet eine Dame nicht.«
Ich beachtete ihn nicht weiter. »Leslie, etwas Komisches ist
da passiert. . . Etwas, das ich nicht erklären kann.«
»Das glaube ich dir sofort.« Leslie hielt mir mein Handy
unter die Nase. »Hier. Ich hab's aus deinem Spind geholt. Du
rufst jetzt auf der Stelle deine Mutter an.«
»Leslie, sie ist auf der Arbeit. Da kann ich nicht. . .«
»Ruf sie an! Du bist jetzt dreimal in der Zeit gesprungen
und ich habe es beim letzten Mal mit eigenen Augen gesehen.
Auf einmal warst du einfach weg! Das war so was von krass!
Du musst das deiner Mum sofort erzählen, damit dir nichts
passieren kann. Bitte.« Hatte Leslie da etwa Tränen in den
Augen?
»Die Sommersprossige hat heute wohl ihren dramatischen
Tag«, sagte James. Ich nahm das Handy und holte tief Luft.
»Bitte«, sagte Leslie.
Meine Mutter arbeitete als Verwaltungsangestellte im Bar­
tholemew's Hospital. Ich tippte ihre Durchwahl ein und sah
Leslie dabei an.
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Sie nickte und versuchte ein Lächeln.
»Gwendolyn?« Mum hatte offensichtlich meine Handy­
nummer auf ihrem Display erkannt. Ihre Stimme klang be­
sorgt. Es war noch nie vorgekommen, dass ich sie von der
Schule aus angerufen hatte. »Stimmt etwas nicht?«
»Mum . . . mir geht es nicht gut.«
»Bist du krank?«
»Ich weiß nicht.«
»Vielleicht bekommst du diese Grippe, die im Moment alle
haben. Ich sag dir was, du wirst nach Hause gehen und dich
ins Bett legen, und ich sehe zu, dass ich heute früher gehen
kann. Dann presse ich dir Orangensaft und mache dir warme
Wickel für den Hals.«
»Mum, es ist nicht die Grippe. Es ist schlimmer. Ich . . .«
»Vielleicht sind es die Blattern«, schlug James vor.
Leslie sah mich aufmunternd an. »Los!«, zischte sie. »Sag's
ihr.«
»Liebling?«
Ich holte tief Luft. »Mum, ich glaube, ich bin wie Charlot­
te. Ich war gerade . . . keine Ahnung, wann. Und heute Nacht
auch . . . eigentlich hat es gestern schon angefangen. Ich wollte
es dir sagen, aber dann hatte ich Angst, dass du mir nicht
glaubst.«
Meine Mutter schwieg.
»Mum?«
Ich sah Leslie an. »Sie glaubt mir nicht.« »Du stotterst ja
auch nur wirres Zeug«, flüsterte Leslie. »Los, versuch's noch
mal.« Aber das war gar nicht nötig.
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»Bleib, wo du bist«, sagte meine Mutter mit ganz veränder­
ter Stimme. »Warte am Schultor auf mich. Ich nehme ein Taxi
und bin, so schnell ich kann, bei dir.«
»Aber . . .«
Mum hatte bereits aufgelegt.
»Du wirst Ärger mit Mr Whitman kriegen«, sagte ich.
»Mir egal«, sagte Leslie. »Ich warte, bis deine Mum da ist.
Mach dir keine Gedanken um das Eichhörnchen. Das wickele
ich um den kleinen Finger.«
»Was habe ich nur getan?«
»Das einzig Richtige«, versicherte mir Leslie. Ich hatte ihr
so viel wie möglich von meinem kurzen Trip in die Vergan­
genheit berichtet. Leslie meinte, das Mädchen, das ausgesehen
hatte wie ich, könnte eine meiner Vorfahrinnen gewesen sein.
Ich glaubte das nicht. Zwei Menschen konnten einander
nicht so ähnlich sehen. Es sei denn, sie waren eineiige Zwillin­
ge. Diese Theorie fand Leslie auch annehmbar.
»Ja! Wie in Das Doppelte Lottchen«, sagte sie. »Ich leihe uns
bei Gelegenheit die DVD aus.«
Mir war zum Heulen zumute. Wann würden Leslie und ich
uns noch mal gemütlich eine DVD anschauen können?
Das Taxi kam schneller, als ich gedacht hatte. Es hielt vor
dem Schultor und meine Mum öffnete die Wagentür.
»Steig ein«, sagte sie.
Leslie drückte meine Hand. »Viel Glück. Ruf mich an,
wenn du kannst.«
Ich hätte beinahe angefangen zu weinen. »Leslie . . . dan­
ke!«
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»Schon gut«, sagte Leslie, die ebenfalls mit den Tränen
kämpfte. Auch bei Filmen weinten wir immer an denselben
Stellen.
Ich kletterte zu Mum ins Taxi. Ich wäre ihr gern in die Ar­
me gefallen, aber sie machte ein so seltsames Gesicht, dass ich
davon Abstand nahm.
»Temple«, sagte sie zum Fahrer. Dann fuhr die Glasscheibe
zwischen Fahrerkabine und Rückbank nach oben und das Ta­
xi brauste los.
»Bist du böse auf mich?«, fragte ich.
»Nein. Natürlich nicht, Liebling. Du kannst doch nichts
dafür.«
»Das stimmt! Dieser blöde Newton ist schuld ...«Ich ver­
suchte es mit einem kleinen Scherz. Aber Mum war nicht zum
Scherzen aufgelegt.
»Nein, der kann nichts dafür. Wenn überhaupt, dann ist es
meine Schuld. Ich hatte gehofft, der Kelch würde an uns vor­
übergehen.«
Ich sah sie mit aufgerissenen Augen an. »Wie meinst du
das?«
»Ich... dachte ... hoffte... ich wollte dich nicht...«Das Rum­
gestottere sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Sie wirkte anges­
pannt und so ernst, wie ich sie nur erlebt hatte, als mein Dad
gestorben war. »Ich wollte es nur nicht wahrhaben. Ich habe
die ganze Zeit gehofft, dass Charlotte diejenige ist.«
»Das mussten doch alle glauben! Niemand käme auf die
Idee, dass Newton sich verrechnet hat. Großmutter wird si­ [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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